Blackout in Amsterdam

von anett am 17.06.2018 / in Allgemein

Leider kein Witz, und ich bin auch nicht einfach nur zu lange im Coffeshop gewesen.
Aber dazu später.

Unser neues Segelabenteuer begann fast direkt nach unserem Tauchurlaub auf El Hierro. Montag nacht halb 2 vom Flughafen nach  Hause gekommen, morgens ins Büro, abends das Nötigste gewaschen und eingepackt, Dienstags nach der Arbeit auf nach Lelystad.
Ach ja, zwischendurch noch den Hund von Meggi, unserer Hundesitterin, abgeholt, denn wir hatten die ursprünglich geplante lange Tour  über Amsterdam und Texel zurück verworfen. Da ich Easy inzwischen furchtbar vermisste,  sah ich mit relativ kurzen Tagestouren keine Notwendigkeit. sie zu Hause zu lassen. Das sollte ich gelegentlich noch bitter bereuen. Wer Max‘ Beitrag von der Rückfahrt von Amsterdam schon gelesen hat, weiß einen der  Gründe.

Angekommen gab es erstmal lecker Nudeln, die Max schon vorbereitet hatte. Dann eröffnete er mir, das wir sehr früh los müssen, denn die Tour nach Amsterdam ist doch länger als gedacht. Und zwischen 4 und 6 ist die Schleuse geschlossen Und ich bereute das mit Easy zum ersten mal.
Zum Glück stellte sich kurze Zeit später raus,  die Berechnung mit dem Google Maps für Boote war falsch. Doch nur 27 Seemeilen und nicht 50. Also alles wieder gut.
Trotzdem standen wir um 6 auf. Ich ging mit dem Hund, Max bereitete das Frühstück vor. Easy sah keine zwingende Notwendigkeit, ein Häufchen zu machen. Und ich bereute meine Entscheidung zum 2. mal.

Nach einem kurzen Frühstück ging es los. Ich legte ab ohne Probleme. Es war ja auch überhaupt kein Wind. Das änderte sich leider auch den ganzen Tag nicht. Hieß motoren bis Amsterdam. Aber ok. Das erste Schleusenmanöver fuhr ich auch noch. Auch das ohne Probleme. Die weitere Fahrt war unspektakulär. Schließlich waren wir an der oben besagten Schleuse. Es war noch sehr früh, kurz vor 2. Wir sahen noch, wie sie sich öffnete, beeilten uns aber nicht, denn in 20 Minuten war die nächste Gelegenheit. Wir machten kurz fest am Wartesteiger  (dachten wir).

Ein paar Minuten später machte mich Max auf die sehr irritierenden 2 roten  Signale übereinander  an de Schleuse aufmerksam. Eine kurze Erinnerung an den SBF Schein: „dauerhaft geschlossen“. Hm, doch wohl nicht im Ernst.
Inzwischen kamen immer mehr Boote an und machten um uns rum fest. Keiner wusste irgendwas. Ich  lotste Easy von Bord auf den Wartesteg, der allerdings größtenteils aus Metallgittern bestand. Sie wollte dort weder eine kleines und schon gar kein großes Geschäft erledigen.  Inzwischen hatte jemand raus gefunden, dass was kaputt war, aber kurz vor 4 sollte es weitergehen. Die 2 Stunden Wartezeit hatten wir jetzt also auch so.
Dann ging es endlich in die Schleuse. Diesmal musste Max fahren. Neben uns ein „Trailer-Schiff“ aus Süddeutschland. Wir unterhielten uns mit der 3köpfigen Crew.

DIE! Schaukel

Rechts oben, die Schaukel 😉

Souverän steuert die Steuerfrau durch Amsterdam

Hinter dem Botel ist die Marina

Der restliche Weg bis zu unserer Marina war unspektakulär.. Wir schafften es gerade so bevor der Hafenmeister weg war. Angelegt mit Hilfe  unserer Schleusenbekanntschaft. Leider nicht besonders gut festgemacht. Zu dicht am Steg, Wellenschlag- die Badeleiter löste sich und versank im Hafenbecken. Und das Verhängnis nahm seinen Anfang.
Aber erstmal gab es ein Anlegerbier zusammen mit unsren neuen Bekannten. Dann eine Runde mit Easy. Gerade war noch super Wetter. Plötzlich fing es an zu regnen wie aus Eimern. Interessant war zu sehen, wie Niederländer damit umgehen. Viel (zu Fuß und auch auf dem Rad) schienen vom Wetter überrascht worden zu sein und hatten offenbar keine Regenkleidung dabei. Die meisten (ob Mann, ob Frau oder Kind) radelten  relativ unbeeindruckt weiter.
Wir stellten uns unter, soweit es ging. Duschen, umziehen, essen im Marinarestaurant. Zum Glück bekamen wir noch einen Tisch, denn es war ganz schöner Andrang.
Die sanitären Anlagen waren die besten, die wir  in unsrer bisherigen Seglerlaufbahn kennengelernt haben. Es gab u.a. 2 Boxen mit Badewannen, wo man das Fenster entweder auf Milchglas oder klar stellen konnte.

Per Schalter auf Milchglas oder auf Transparent, Geil! Aber wenn auf Transparent, dann von beiden Seiten, da konnte man dann auch reinschauen. Einige wussten das wohl nicht…

 

Wir haben aber nicht gebadet.

Blick von der Marina aus Richtung Westen

Am Ende des Anlegers lagen wir, gegenüber die Cyclos

Nach dem Essen tranken wir noch eine Flasche Rotwein. Für Max lt. seiner Einschätzung am kommenden Morgen zuviel aber ich schlief hervorragend. Und warum auch nicht, es hätte  mein letzter sein können.

Bereits am Abend zuvor hatte ich beschlossen unser Badeleiter zu retten. Schließlich bin ich ein 4Sterne Freediver. Im Urlaub hatte ich zwar mit den Überresten einer Erkältung gekämpft und konnte daher keine Höchstleistungen vollbringen, aber zu über 30 m hat es trotzdem noch gereicht. Also sollten 8 m doch lächerlich sein.
Es war unheimlich warm und ich hatte wirklich Lust auf ein Bad (wenn auch nicht im Hafenbecken-aber für unsre Badeleiter- klar,  warum nicht.)

Da unten liegt sie

Max wiederholte ständig, dass es sich um eine saublöde Idee handelt, dass es zu gefährlich ist und bla bla bla. Auch von erweiterten Sicherungsmaßnahmen wollte ich nichts hören, denn… sind ja nur lächerliche 8 m.
Also mit Hilfe der installierten Ein- und Aussteigehilfe am Steg ab ins Wasser. Dann wurde mir erstmal klar, dass tatsächlich nicht viel Platz zum Ab- und -noch viel wichtiger- zum Auftauchen ist. Vorn und links der Schwimmsteg, dann unser Boot (das Max noch ein Stück zurück gesetzt hatte) und daneben noch ein Boot. Aber ich hatte die große Schnauze gehabt. In der rechten Hand die Tauchlampe, links das Seil, an dem ich eigentlich die Badeleiter dann festbinden wollte, um sie dann hochzuziehen (hätte ich mich mal an den Plan gehalten).
Ich tauchte ab, stellte fest, ohne Flossen und mit beiden Händen voll, ist das gar nicht so einfach. Und die Sicht war tatsächlich gleich null. Daran änderte auch die Lampe nichts. Bevor ich den Grund erreichte machte ich kehrt. Im Prinzip hatte ich das Vorhaben bereits abgeschrieben. Positiv fand ich jedoch, beim Auftauchen sah ich am Ende die Umrisse des Schwimmstegs und unseres Bootshecks. Hieß, ich kam exakt raus, wo ich abgetaucht war.
Obwohl da ganz leise in mir die Alarmglocken verkündeten, „Das ist wirklich gefährlich“ beschloss ich, noch einen letzten Versuch zu machen.
Es überkam mich wieder auf halbem Weg das Bedürfnis umzukehren. Aber dann wollte ich doch wenigsten einmal bis zum Grund tauchen. Plötzlich hatte ich die Leiter in der Hand. Ein innerer Jubelschrei „Ich hab’s doch drauf!“.  Keine Sekunde an das Seil verloren. Sind  ja nur 8 m . Einfach schnell hoch damit. Und ich kickte und kickte und ….
Max sagte mir später, dass ich mich insgesamt ca. 3 Minuten abgemüht habe. Wobei er nicht auf die Uhr geschaut hat und es ihm vermutlich wie Jahrhunderte vorkam.
Ich ließ auf jeden Fall irgendwann widerstrebend die Leiter los, dachte (zum Glück ) nur ganz kurz über das Seil nach und schwamm nach oben. Eigentlich konnte es ja gar nicht mehr weit sein, so meinte ich. Aber dafür dauerte es ganz schön lange. Offenbar hatte ich nur Wasser getreten mit der Leiter und das aber nicht bemerkt, da ich ja nichts gesehen habe. Kein Atemreiz oder gar Zwerchfell-Kontraktionen.
Als ich dachte, jetzt muss ich aber ziemlich oben sein, suchte ich vergebens nach den bekannten Umrissen oben.  Ich überlegte, ob ich wirklich auftauchen kann. Und das ist das Letzte woran ich mich unter Wasser  erinnern kann.

Das Erwachen war ein langsames Hochfahren der Sinne. Zunächst ein dumpfes Murmeln im Hintergrund zusammen mit Helligkeit und ein paar undefinierten Strukturen.
Dann tauchte der Umriss von Max‘ Gesicht auf, noch völlig ohne Farbe. Allerdings liefen bunte Streifen drüber wie früher beim Testbild im Fernsehen.
Langsam verstand ich das Gemurmel als das was es war: Max hielt mir seit geraumer Zeit eine Standpauke. Inzwischen kehrte auch die Farbe in die Welt zurück. Ich verstand Worte wie  „Blackout“. Jetzt hörte ich noch eine andere Stimme, die fragte, ob wir einen Arzt brauchen. Das half mir dabei, schneller zu mir zu kommen. Ganz schnell hatte ich „nein“ gesagt, obwohl ich das ganze Ereignis noch nicht wirklich erfassen konnte. Ich nahm wahr, dass ich auf dem Steg neben unserem Boot in der Sonne lag. Bis auf, dass ich mich noch ziemlich benommen fühlte , nicht mal unangenehm. Zum Aufstehen brauchte ich noch 2 Minuten. Auch dann fühlte ich mich noch etwas zittrig.

Langsam erfasste ich, was passiert war und mir wurde klar, was für ein Riesenschwein ich gehabt hatte.
Max hatte mich in letzte Sekunde rausgefischt. Unsere Schleusenbekannten halfen dabei, mich an Land zu ziehen. Ich weiss nicht mal ihre Namen. Vielen Dank  an Euch.
Für mich war das Ganze nur „Licht aus -Licht an“. Ich möchte mir nicht vorstellen, wie das für Max war und hoffe, dass ich zum letzten Mal sowas Dummes gemacht habe. Ich dachte immer von mir, ich gehe nur kalkulierte Risiken ein. Da hab ich mich bei der Kalkulation aber gewaltig vertan was die Eintrittswahrscheinlichkeit betraf.

Erstaunlicherweise verlief der weitere Tag dann relativ relaxed . Wir gingen duschen- das Hafenwasser abspülen (in der Badewannen-Box), frühstückten und starteten unseren Amsterdam-Bummel.

In Amsterdam gibt es ne Menge Gras…

 

 

Lecker IPA mit feinem Etikett 😉

Natürlich redeten wir unterwegs über  das morgendliche Ereignis und waren uns einig, dass uns das wohl noch eine Weile beschäftigen wird. Ich hatte (und habe noch immer) erstaunlicherweise hauptsächlich meine  Aufwach-Szene vor  Augen.

Obwohl das sicher ein einschneidenedes Erlebnis für uns beide war,  am nächsten Tag war das Ganze zunächst total vergessen. Max hat unsere Rückfahrt von Amsterdam insbesondere das nächtliche Anlegen unter starkem Seitenwind nach 55 Seemeilen   (ein nicht enden-wollender Alptraum) ja bereits beschrieben.  Auch in der Nacht und am folgenden Tag hatten wir mehr mit den Folgen der Rückfahrt zu tun als mit dem Aufarbeiten des traumatischen Erlebnisses. Der Wind hatte nicht nachgelassen und wir mussten irgendwie noch in unsere Box kommen. Aber das lest mal in Max‘ Beitrag nach.

 

 

 

 

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anett

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